St. Cosmas und Damian, Ohmden
Carl Gottlob Weigle, Opus 17, 1852
Technische Daten
Dorfkirchen, in so abgelegenen und armen Orten wie Ohmden, mussten lange warten, bis sie endlich mit den Nachbarorten gleichziehen konnten und eine Kirchenorgel bekamen. In Ohmden war es erst 1852 so weit. Beim gründlichen Kirchenumbau damals wurde auf der Nordempore Platz geschaffen für eine Orgel. An dieser Stelle blieb das Instrument über 100 Jahre lang unangetastet. Bis ihr 1917 die Prospektpfeifen geraubt wurden, ein schwerer Frevel nicht nur aus heutiger Sicht. Gleich nach Kriegsende wurde für Ersatzpfeifen gesammelt; für mehr als die billigen Zinkfpfeifen hatte es aber nicht gereicht. Dafür blieben diese im 2. Weltkrieg erhalten. Im Zug des Wirtschaftswunders konnte man 1959 endlich daran gehen, das Kirchengebäude zu sanieren. Rabiat wurde alles entfernt, was an die Ausstattung von 1852 erinnerte. Dazu hätte auch die Orgel gehört, falls das Geld gereicht hätte. So aber verbannte man das Instrument auf die östliche Ecke der nördlichen Seitenempore, montierte einigen Zierrat ab und überstrich das Gehäuse in einem zeitgemäßen, hellen Farbton. Nun war es angepasst und dem Blick der Gemeinde entzogen. Nicht Kunstverstand hat uns die Denkmalorgel erhalten, sondern Armut und Verlegenheit.
Die neuere Baugeschichte beginnt, nachdem das Instrument auf die Seitenempore transloziert war. In den Sechzigerjahren wollte man den Klang aufhellen. Die einzige Möglichkeit bot sich beim Register Viola 4‘, das man mit geringem Aufwand zu einer Quint 1 1/3‘ umbauen konnte. Der Auftrag dazu wurde nie offiziell vergeben, sondern unter der Hand von einem Orgelbauer erledigt, der verwandtschaftliche Beziehungen nach Ohmden hatte. Der begabte Orgelbauergeselle Martin Raitelhuber, später Intonateur bei Fa. Walcker und dann Mitarbeiter des renommierten Orgelpfeifenmachers Killinger in Freiberg/Neckar, ging so schonend mit dem Pfeifenmaterial um, dass Christian Reichel aus dem benachbarten Hochdorf, dem inzwischen die Wartung der Orgel oblag, das originale Register Viola 4‘ vollständig wiederherstellen konnte. Ein ausführlicher Restaurationsbericht listet penibel alles auf.
Diese Arbeit geschah unter der strengen Aufsicht des Landesdenkmalamtes, weil sowohl das Kirchengebäude als auch die Orgel unter Denkmalschutz stehen.
Möglich wurde die Restaurierung der Orgel nur durch eine Spende der Organistin über 27.000 DM. Dass Gemeindemitglieder noch 10.000 dazulegten, ist eine Anerkennung für die hochherzige Spenderin und ein Zeichen, dass man in Ohmden inzwischen weiß, welches historische Juwel in ihren Mauern erklingt.
Nach der Restauration ist das noch offensichtlicher. Die neuen, zinnernen Prospektpfeifen strahlen festlich. Der schlanke Spieltisch ist von den unschönen Zutaten (Bild) befreit. Eine moderne Tastenheizung bewahrt jetzt die Organisten vor Frostbeulen. Und dem Holzwurm hat moderne Chemie endgültig den Garaus gemacht.
Was der Denkmalsorgel schon früher zugutegekommen war, die Betreuung durch engagierte Gemeindeglieder, vor allem Organisten, begleitet sie auch bis heute. In Rainer Schreier, aus der Familie Ernst, hat sie einen Mentor, der alle Details aus der Orgelgeschichte zusammengetragen hat. Ohne ihn gäbe diese Zeilen nicht.
Heutiger Standort:
Seitenempore im Altarbereich.
Ursprünglichen Standort:
Ostempore über dem Alter, so wie heute noch in Ochsenwang und Hepsisau vorzufinden.
Die Ohmdener Orgel war so sehr ein Teil des Kirchenensembles, dass man sie aus dem Blickfeld nehmen musste, wollte man die steif nüchterne Ästhetik der Nachkriegsjahre (1959) durchsetzen. Was einst den kleinen Raum dominierte, ist nun verschämt auf die Seite gerückt.
Manche Eigenarten des Gehäuses erschließen sich erst aus dieser Vorgeschichte. Die sorgfältige Gestaltung der Seitenwände mit fünf Halbkreisen über den senkrecht verlaufenden Gitterstäben zum Beispiel. Sie interpretieren die Symmetrie des Orgelgesichts, strecken den gedrungenen Kasten und federn wirkungsvoll gegen die niedere Decke ab. Von der Mittelempore aus erlebt man das am deutlichsten.
Die Architektur des Orgelprospektes wird erst verständlich, wenn man sich klarmacht, dass, wie in Ochsenwang, das Instrument so dicht wie möglich an die Emporenbrüstung herangerückt war. Wie dort, kragte der Spieltisch über die Emporenbrüstung deutlich hinaus. Hinter dem Instrument musste ja noch Platz sein für den Kalkanten. In dieser exponierten Lage war es notwendig, die massigen Pfeifenkörper in Gleichgewicht zu bringen zwischen der dominierenden Bilder-Wand in der Brüstung und der tiefen Kassettendecke. Das erklärt die karge Ornamentik im unteren Titel des Prospektes im Gegensatz zum oberen Teil, markiert durch die sechs Konsolen, auf welche sich die Rundbogen stützen. Früher weiß gestrichen, erstrahlen sie heute wieder prächtig in den originalen Farben. Übrigens strebt der Labienverlauf des Mittelfeldes zu diesen seitlichen Konsolen hin, ein überzeugender Schritt aus dem Nurdekorativen hin zum Strukturellen.
Die Rundbögen entsprechen dem Zeitgeschmack, der sich damals von der Neugotik absetzte. Siehe den Bogenprospekt in Unteriflingen von Engelfried, 1846. (Helmut Völkl Orgeln in Württemberg, Seite 216). Auch im Norden und Süden sind ähnliche Gestaltungsgrundsätze zu finden. An der Dreymann-Orgel von 1845 in Eich/Rheinhessen (Martin Balz: Göttliche Musik, Orgeln in Deutschland 2008, Konrad Theiss Verlag Stuttgart, Seite 149), der Haaser-Orgel von Lantsch/Lenz in Graubünden, (Friedrich Jakob, Willi Lippuner Orgellandschaft Graubünden Verlag Gündner Monatsblatt 147 Veröffentlichung der Gesellschaft der Orgelfreunde, Seite 199) und schließlich an den Orgeln von Walpertshofen vor 1836 (Wolfgang Manecke/Johannes Mayr: Historische Orgeln in Oberschwaben der Landkreis Biberachs, Seite 83) und Gerstetten St. Michael, 1853 (Christoph Naake: 150 Jahre Orgelbau Link 1851 – 2001, Verlag Freiburge Musik Forum 2001, Seite 143) und auch noch in der Marienkirche Marienberg 1879 (Erzgebirge). Bei dem Ohmdener Instrument ist das umso bemerkenswerter, als der dortige Altar sich sehr pointiert neugotisch gab.
Wenn sich Weigle 1862 in der Esslinger Frauenkirche, und noch 1901 in der Uracher Amanduskirche, dem neogotischen Diktat wieder unterordnete, dann mögen das die gotischen Großräume rechtfertigen. Jedenfalls hatte Karl Gottlob Weigle in Ohmden eine zeitgenössische Form gefunden, die den Erfordernissen des Raumes ideal entsprach. Das leider entfernte Dekor der beiden Kreise über den äußeren Feldern und in den freien Flächen über dem Mittelbogen hätte an der jetzigen Stelle seine strukturelle Funktion als Verdichtung verloren. Heute müssen wir uns mit dem kleingliedrigen Rundbogenfries zufriedengeben, der in guter alter Manier das Gehäuse einschließlich der Seitenwände umspannt. Der entsprechende untere Abschluss ersäuft heute in der Emporentiefe. Damals schuf er den Übergang zur Brüstung.
Bei allem Verständnis für die Nachkriegsgeneration muss man heute sagen, dass es seinerzeit an Verständnis gefehlt hat für die künstlerisch hervorragende Gestaltung des Weigleprospektes. Dieser ist heute zwar liebevoll restauriert, doch bleibt er sinnentleert und verständnislos auf die Seite geschoben. Ein Menetekel fast, für unsre Orgelmusik, die heutzutage an Wertschätzung und Verständnis verloren hat wie nie zuvor.
Pfeifenschema des Prospektes 9 11 9 = 29 Pfeifen
Spieltisch: Frei stehend, Manual, Pedal.
Umfang Manuale; C – f’’’, Pedal C – d°:
Notenpult: Nussbaum, mit Klavierband am Deckel befestigt.
Breite/Höhe/Tiefe/Neigung: 650 mm, 220 mm, 58 mm, 21°.
Beleuchtung Notenpult: Deckenstrahler.
Beleuchtung Pedal: Leuchtröhre.
Beleuchtung Manubrien: Deckenstrahler.
Beleuchtung des Orgelinneren: Nicht vorhanden.
Beleuchtung des Prospekts: Deckenstrahler.
Motorschalter: Kippschalter.
Kontrolllicht Motor: Pedal Beleuchtung.
Steckdosen: Je1x rechts und links der Orgelbank im Fußboden.
Elektroinstallation: Nicht sichtbar.
Heizung: Tastenheizung, elektrischer Radiator unter Orgelbank.
Schlösser: Nur an Gehäusetüren.
Schlüssel: Für Gehäusetüren.
Firmenschild: Nicht vorhanden.
Orgelbank: Fichte, original, nicht verstellbar.
Manual
Mechanisch, Klaviatur zweischenklig, Oktavmaß 162 mm.
Breite Untertasten (in mm): c 21,7 d 21,8 e 21,6 f 21,3 g 21,9,a 22 h 21,7.
Tastenteilung: Breiteste/schmalste Untertaste a 22 mm /f 21,3 mm.
Tastenfall: 5 mm, Obertasten einsinken: 1 mm.
Tastendruck: 180 – 300 g, Tutti 200 – 350.
Länge Untertasten: 131 mm, Tastenköpfe 46 mm.
Länge Obertasten: 73 mm.
Abstände Obertasten: Cis-dis 17,5 mm, fis-gis 17mm, gis-ais 16,6 mm, ais-cis 31,5 mm, dis-fis 32 mm.
Koppel: Man-P per Handzug.
Abstrakten: Holz.
Winkel: Holz.
Wellenbretter: 3, Wellen: Holz, Ärmchen: Holz.
Tastenbelag: Untertasten Knochen, Obertasten Ebenholz.
Neigung der Klaviatur. 0°.
Pedal
Form: Parallel, eben, Obertasten nicht geschweift, Oktavmaß: 485 mm.
Tastenfall: 17 mm, Obertasten einsinken: 12 mm.
Tastendruck: 900 g – 1400 g.
Länge Untertasten / Obertasten: 485 mm / 114 mm.
Breite Untertasten / Obertasten: 25,7 mm / 26,7 mm, Einschub: 27,5 mm.
Vertikale Position: 740 mm unter Manual. Horizontale Position: c° unter e’.
Tastenbeläge: Untertasten Buche, Obertasten Kirsche.
Mechanisch, Manubrien: Gedrechselte Ebenholz Knöpfe auf Holzstangen zum Einhängen.
Registerzüge. In zwei Ebenen links und rechts der Klaviatur, ein Blindzug wegen Symmetrie.
Registerwellen: Holz.
Registernamen: Handschriftlich auf Emailleschildern auf den Registerknöpfen.
Registernummern: Unauffällig über Registerzüge geklebt.
Pedalkoppel: Als Registerzug.
Gebläse: Auf Dachboden über der Orgel
Originaler Kastenbalg mit Rollventil ebendort.
Motordaten: Aug.Laukhuff. Weikersheim, Masch.-Nr. 11036, cbm (m.c.) 4 Min., W.S. (Press) 105, Motor-Nr. 71677, M P 1/3, Volt 220/380, Amp 2,6?/1,5?, Tour. (Rotat.) 1400, Period 50, Phas 3
Windkanal: Holz
Winddruck: 84 mm WS an Octav 4’ C Prospekt (klingend c°)
Vorgängergebläse steht noch auf dem Dachboden.
Mechanische Kegellade.
Pfeifenausstellung: diatonisch nach innen ansteigend.
Gesamtpfeifenzahl 403, davon 139 Holzpfeifen.
MANUAL | ||
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Principal | 8′ | C-H Holz |
Gedeckt | 8’ | Doppellabien |
Salicional | 8’ | C-F Holz |
Octav | 4′ | C-c’ Prospekt 1994 Reichel |
Flöte | 4′ | Holz, ab cis’ offen |
Viola | 4′ | 1994 Reichel, wieder angelängt nach dem früheren Umbau zu Quinte 1 ⅓’ |
Octave | 2′ | |
PEDAL | ||
Subbass | 16′ |
Der Werkbericht von Orgelbauer Christian Reichel mit Datum 31.08.1994 über die Restauration gibt detaillierte Auskunft über den originalen Pfeifenbestand.
Gleichstufig temperiert
Absolute Tonhöhe a’ 442,1 Hz bei 19,7° Celsius.
Relative Luftfeuchtigkeit 65 %, atmosphärischer Luftdruck 1019,5 hPa auf NN,
gemessen am 15.10.2014, 18:30 Uhr.
Schallpegel
Ruhe 28,7 dBA, Gebläse 28,3 dBA.
Min 61 dBA, Max 82 dBA.
Alleinstellungsmerkmale:
Älteste Weigle-Orgel unter Teck,
Spende der Organistin ermöglichte Restauration.
Medien:
Teckbotenarchiv,
Ohmdener Mitteilungen,
Anita Rauscher: Untersuchungen über die Orgeln des 18. und 19. Jahrhunderts im Evangelischen Dekanatsbezirk Kirchheim unter Teck
Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim unter Teck, Band 36:
Ernst Leuze und Wolfgang Znaimer
Orgeln unter Teck (Seite 89)
YouTube:
Ralf Sach spielt
Rheinberger, Karg-Elert, Bach
Andere Instrumente im Raum: Keyboard.
Kontakt
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Pfarramt: 07023 9541786
Gemeindebüro: 07023 909787
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Adresse der Kirche:
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