Johanneskirche Ötlingen

Prospekt von Friedrich Schäfer 1913 –
Peter Plum 1978

Technische Daten

1765 (etwa) erste Orgel der Johanneskirche von Johann Ludwig Goll aus Weilheim erbaut. Sie stand vermutlich auf einer (heute nicht mehr vorhandenen) Ostempore und hatte 159 Gulden und 56 Kreuzer gekostet. Barocker, heller Klang.

1884 Umbau der Orgel durch Orgelbau Weigle, Echterdingen. Das Instrument hat jetzt 11 Register und einen klassischen, romantischen Klang.

1912/13 Versetzung an den heutigen Standort Westempore durch Orgelbauanstalt C. L. Goll & Sohn Kirchheim Teck (Inhaber Friedrich Schäfer), Aufhellung der Disposition.

Neuer Prospekt (der heutige), Weiterverwendung der Bassregister Subbass 16’ und Oktavbass 8’.

1950 Renovierung, Entwurmung

1960er Jahre Damals empfand man das störungsanfällige Instrument als zu grundtönig und dachte zunächst an eine elektronische Orgel. Pfarrer Brandes betrieb dieses Projekt. Es scheiterte aber auch am Widerstand des damaligen Dekans Gölz.

1969 besichtigte der damalige Orgelpfleger Dr. Walter Supper das Instrument und fertigte einen ersten Entwurf für eine neue Orgel an, die auf der Südseite der Mittelempore platziert werden sollte. In den folgenden Jahren gab es ein nervenaufreibendes Hin und Her um die Finanzierung, den Standort und die Auswahl des Orgelbauers. Besonders schwierig wurde es, als der Gemeinde der Neubau der Sakristei nahegelegt wurde. Eine Zeit lang war erwogen worden, die neue Orgel in die Sakristei Bühne hineinzubauen. Es ist fast ein Wunder, dass bei all den Querelen der alte Prospekt erhalten blieb, die Orgel an ihrem originalen Standort belassen wurde, und dass sogar noch Register aus dem alten Instrument sich ins Neue hinüberretten konnten. Das war dadurch möglich, dass Orgelbaumeister Peter Plum aus Marbach den abgängigen alten pneumatischen Spieltisch (derzeit im Magazin des Heimatmuseums befindlich) zwischen den zwei Holzsäulen entfernte und dafür einen neuen mechanischen Spieltisch an der Nordseite anbaute. Dadurch war für den Chor endlich genügend Platz vorhanden und der originale Prospekt konnte trotzdem bleiben. Die nun „seitenspielige“ Orgelanlage hat durch dieses Alleinstellungsmerkmal einen besonderen Rang in der Region.
Immer wieder wurde die Alternative „Elektronische Orgel“ zur Diskussion gestellt. Glücklicherweise kam es aber nicht so weit. Sonst stünde die Gemeinde heute vor der Herausforderung eines Orgelneubaus. (Siehe Katholische Kirche Maria Königin).

Plum Orgel, Johanneskirche Ötlingen
1978 (am 17. Dezember) Einweihung der „neuen“ Plum-Orgel


Der übermenschlichen Geduld und dem unermüdlichen Engagement von Pfarrer Weimer ist es zu verdanken, dass mit der jetzigen Orgel die Erhaltenswerte aus früherer Zeit gerettet worden ist, wo andernorts rücksichtslos aufgeräumt worden war, sehr zum Leidwesen der heutigen Generation. Eine große Rolle spielte dabei, dass Pfarrer Weimer die Bedeutung der Kirchenmusik in Ötlingen erkannte, die unter der Musikerin Gertrud Find eine bisher unerreichte Qualität erreicht hatte und im ganzen Kirchenbezirk bewundert wurde.

Spieltisch
Den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben: Der originale Spieltisch zwischen den Säulen nahm dem Chor Platz weg. Der neue, seitliche kann aber wegen des Treppenaufgangs nicht näher an der Rückwand stehen. Deshalb musste das Orgelgehäuse bis dicht an die Holzsäulen nach vorne gerückt werden. Die alte Anmut ist dahin, der Platz verschenkt.

Die Ötlinger Orgelgeschichte hat eine bemerkenswerte Konstante. Die Instrumente wurden immer evolutionär und nie revolutionär verändert. Möglicherweise sind heute noch Pfeifen aus dem 18. Jahrhundert erhalten (Pedal). Optisch ist das dichte Beieinander von (statisch notwendigen) Holzsäulen, Jugendstil Prospekt und kantigem modernen Spieltisch nicht ganz ideal, aber es wäre extrem aufwendig das zu korrigieren.

Heutiger Standort Westempore an der Rückwand. Gehäuse massiv weiß gefasst umlaufender weißer Holzfries unter der Oberkante des Gehäuses.
Füllungen: Brombeere (nicht original). Prospekt: 3 Felder zu 11/13/11 Pfeifen, Mittelfeld Guckkasten mit abgerundeten Ecken und wellenförmigen (Alleinstellungsmerkmal) Labien Verläufen. Seitenfelder auf vorgesetzten Pfeifen, Stöcken und Metallbanderolen vor dem Rasterbrett, individuelle Adaption eines einfachen Jugendstiles. Die ursprüngliche Ensemblewirkung ist nur noch zu erahnen, weil das Orgelgehäuse tiefer geworden ist und jetzt mit den Holzsäulen, die den Turm tragen, kollidiert.

Auf der Nordseite besonders deutlich zu sehen: Die sorgfältige Gestaltung der Gollschen Friese und die von Plum angestückelte Vertiefung des Gehäuses.

Auf der Nordseite besonders deutlich zu sehen: Die sorgfältige Gestaltung der Gollschen Friese und die
von Plum angestückelte Vertiefung des Gehäuses.

Frontpfeiler
Originelle Gestaltung am Frontpfeiler.

Seitenspieliger, angebauter, zweimanualiger Spieltisch mit Pedal. Manual- und Pedalumfang:  C-g’’’, C-f’. Normalkoppeln in der Anordnung II/I II/P I/P, mit Fußhebeln in ergonomischer Form, nicht einrastend. Mechanischer Schweller für Hauptwerk samt Pedal. Aufgeklappter Spieltischdeckel dient als Notenpult.

Dieses ist 1170 mm breit, 355 mm hoch, 75 mm tief und 15° geneigt. Klobige Leuchtstofflampe für Noten. Pedalbeleuchtung (Sofitte), zugleich Kontrolllicht für Orgelmotor. Infrarotstrahler über den Tasten wurde wieder entfernt.  Manubrien über der Klaviatur zum Einkrallen. Reihenfolge: Von links, Manual II, Manual I, Pedal. Zwei Taster für Motor ein und aus, Lichtschalter als Drehrad daneben. Zwei Steckdosen links unten an der Konsole.  Sonst keine Elektroinstallation an der Orgel sichtbar. Deckel abschließbar, Firmenschild: Logo mit Namen, rechts über der Klaviatur. Orgelbank verstellbar mit Kurbel auf der rechten Seite.

Offener Spieltisch
Steht der Spieltisch offen, prallen Alt und Neu schonungslos aufeinander.

Manual
Mechanisch. Tastenfall: I  und II 11 mm. Obertasten einsinken: I 3 mm, II 4 mm. Tastendruck: I 95 –130 gr, II 125 gr. Oktavmaß: 165 mm.  Tastenteilung: c d 9 mm, e 8,7mm, f g a 9mm, h 8,7 mm. Vertikaler und horizontaler Manualabstand: 60 mm ,28 mm. Tastenbelag: Untertasten Ebenholz, Obertasten Kunststoffbelag.
Länge Unter- Obertasten: I 7o mm/60 mm, II 70 mm/40 mm.
Länge Tastenkopf: I 45,5 mm, II 45 mm. Zwischenräume Obertasten (am Tastengrund gemessen): cis-dis 19 mm, fis-gis 18 mm, gis- ais 17 mm, dis-fis 32 mm, ais cis 3mm.
Einsinken der Obertasten: 3 mm über Untertaste.

Pedal
Radialpedal, konkav, Obertasten geschweift. Oktavmaß: 460 mm (auf Höhe von CIS gemessen). Tastenfall: Untertasten 15 mm, Obertasten 10 mm. Einsinken der Obertasten: Bis 15 mm über Untertaste. Tastendruck: 1150 – 1750 g, Länge Ober- Untertasten: 700 – 710 mm /140 – 200 mm. Tastenbreite 43 mm abgerundete
Unter- und Obertasten Einschub 325 mm Horizontale Position c° unter as°

Mechanisch. Registerzüge über der Klaviatur, Manubrien zum Einkrallen von oben, Registernamen und -Nummern in weißer Steinschrift eingraviert. Stangen aus Messing, beschichtete Eisenwellen.
Mechanischer Jalousie-Schweller.

Gebläse mit gedämmtem Kasten im Untergehäuse. 
Motordaten: Made in Germany, by Aug. Laukhuff-Weikersheim, 5,  73 cbm (mc) 8 Min., Motor Nr. 1393, H.P. 0,4, Volt 220/380, Amp. 1,5  0,9, Tour 2800, Period 50, Phas. 3
Magazinbalg als Schwimmer. HW/Pedal mit Ladenbälgen.
Windkanal: Glattes Kunststoffrohr. Kondukten: Glattes Kunststoff- und Flexrohr. Winddruck: 58 mm WS, gemessen am Fußloch von Hohlflöte 4’, Taste C Prospekt.
Tremulant: Pneumatisch, Druck auf die Balgplatte.

Schleiflade. Kunststoffschleifen mit Dichtringen in Schichtholzpfeifenstöcken. Pfeifenanordnung: Diatonisch zur Mitte hin ansteigend. Parallelventile, durchschobene Lade für Hauptwerk/Pedal.

Gesamtpfeifenzahl: 878, davon 116 Holz- und 56 Zungenpfeifen
und 8 Blindpfeifen im Prospekt.

MANUAL (im Schwellkasten)
Principal8′Plum
Salizional8’Weigle oder Goll Metall mit Kastenbärten
Oktave4’Plum 1978 Metall
Gemshorn4′Plum 1978 Metall, halbkonisch
Mixtur IV2′Plum 1978 Repetition gis°, dis‘‘
Stilltrompete8′Plum 1978
POSITIV II
Gedeckt8′Goll 1913 Holz
Hohlflöte4′Plum 1978 C – c° im Prospekt (Mittelfeld)
Prinzipal2′Plum 1978 cis°–d‘ im Prospekt (seitliche Felder)
Nasat2 ⅔‘Plum 1978 ab A
Terz1 3/5′Plum 1978 ab a°
Zimbelpfeife1′Plum 1978 repetiert ab a’’’ zu 1 ⅓’
PEDAL (im Schwellkasten)
Subbass16′1913 Goll, oder vielleicht noch Weigle, Holz
Oktavbass8′1913 Goll, Weigle? Umgebaute Pfeifen, Holz

Gleichstufig temperiert
Absolute Tonhöhe: a’ 444,1 Hz bei 19,7° Celsius. 
Relative Luftfeuchtigkeit 59,9 % atmosphärischer Luftdruck auf NN 1030 hPa.

Schallpegel
Ruhe 28,5 – 37 dBA, Gebläse 30,5 – 37,4 dBA.
Min. 47,2 dBA, Max 83 dBA.

Alleinstellungsmerkmal
Seitenspielige Orgel, Guckkastenprospekt mit gewelltem Labienverlauf.

Medien
Teckbotenarchiv, Anita Rauscher: Untersuchungen über die Orgeln des 18. und 19. Jahrhunderts im Evangelischen Dekanatsbezirk Kirchheim unter Teck.

Schriftenreihe des Stadtarchivs Kirchheim unter Teck, Band 36:
Ernst Leuze und Wolfgang Znaimer
Orgeln unter Teck (Seite 127)

YouTube:
Ralf Sach spielt Percy Whitlock (1903-1946):
Folk Tune

Yamaha Keyboard im Altarbereich.

Kontakt

Pfarramt und Gemeindebüro
Lessingstraße 10
73230 Kirchheim unter Teck
Tel.: 07021-6535
Homepage Pfarramt

Adresse der Kirche:
Johanneskirche
73230 Kirchheim unter Teck Ötlingen
Lindorfer Straße 1

So finden Sie die Kirche:

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